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Fifty shades of white | Warum Weiß nicht Weiß ist

Autorenbild: Nicole SchüteNicole Schüte

Aktualisiert: 27. Okt. 2021


Sie ist die Königin aller Farben, sie kann alles sein, aber auch nichts. Sie vermag einigen zu banal erscheinen und für andere die ,Signature' Farbe sein, aber eins ist klar:


Die Farbe Weiß ist niemals nur die Farbe Weiß!



Genau genommen ist die Bezeichnung „Farbe“ im eigentlichen Sinne auch gar nicht korrekt, denn Weiß gehört zu den Nichtfarben. Dass das aus meiner Sicht ganz und gar nicht richtig ist, erkläre ich euch in diesem Artikel. Weiß ist eigentlich eine Mischung sämtlicher Wellenlängen des sichtbaren Spektrums. Wenn es um Farbe geht, geht es meistens um Licht, wenn also alle Farben des Lichtspektrums zu gleichen Teilen reflektiert werden, entsteht die Farbe Weiß.

Ich will euch aber gar nicht mit irgendwelchen Farblehren und Spektralgeschichten oder ,additiver' und ,substraktiver' Farbmischung langweilen, sondern hier soll es eigentlich wirklich um die Unterschiede der „FARBE“ Weiß gehen, die ich, also ihr, in physischer Form in einem Laden kaufen könnt oder eben in Form von Oberflächen auf dem Markt erhaltet. Zusätzlich geht es darum Weiß einzusetzen, denn wie schon erwähnt, ist Weiß eben nicht direkt Weiß und


zu viele verschiedene Weisstöne in einem Interior sind am Ende halt einfach irgendwie bunt.

In meinem Artikel "RAL was?", habe ich die Problematik mit dem Weiß auch schon einmal angerissen, wer mehr über das Thema Farbsysteme wissen möchte und wofür das gut sein könnte, der findet diesen Artikel hier.

Das Problem mit weißer „Farbe“ ist, dass es eben nicht einfach nur Weiß gibt. Da es keine Farbe in dem Sinne ist, hat die Wahrnehmung von Weiß viel damit zu tun, welche Lichtverhältnisse herrschen und welche Umgebungstöne die Anmutung des Weiß beeinflussen. Es gibt nicht den heiligen Gral der Weißtöne, den man physisch im Laden kaufen kann und der das Weiß der Weißtöne ist, sondern es gibt irgendwie immer einen minimalen Unterton.

(Wobei mein Mann beim schreiben dieser Zeilen nur mit dem Kopf schüttelt, weil er sich noch genau erinnern kann, wie unser Debakel mit dem Weiß war. An vielen Stellen habe ich ihm sicher Muster gezeigt, bei denen er ohne meine Meinung zu selbigen tausendprozentig gesagt hätte: "Ist das nicht alles das Gleiche..?!" Aber das ist ein anderes Thema ;-))


Bei den meisten Weisstönen gibt es immer einen Unterton, so kann ein Weiß kühl oder warm wirken, einen Gelbstich, Blaustich oder Rotstich haben oder sogar etwas gräulich sein. Der Witz bei der Sache ist aber, dass man das nur sieht, wenn man die verschiedene Töne direkt nebeneinander hält.


Also woher weiß man denn jetzt eigentlich was das reinste Weiß ist ?

Was setzt den Maßstab?


Das ist eine wirklich gute Frage und leider sind wir dann doch irgendwie wieder in der Farblehre bzw. beim Licht, denn reines Weiß kann nur jenes sein, dass eben alle Spektren gleichermaßen reflektiert. Viel leichter lässt sich das anhand von Licht erklären, z.B. mit unserem innig geliebten Smartphone. Monitorfarben werden im RGB-Modus angegebenen, wobei "RGB" für Rot, Grün und Blau steht. Lege ich alle „Lichtgrundfarben" übereinander, so erhalte ich Weiß. Somit würde man meinen, dass die „Farbe“ Weiß eben die Mischung aller Farben ist, aber wer jemals die Farben Rot, Grün und Blau gemischt hat, weiß das dabei alles andere als Weiß heraus kommt, Licht ist eben einfach etwas anderes als eine Masse in einem Farbtopf - oder? Die Farbe von Masse erkenne ich ja schließlich im Grunde auch nur wegen Lichtreflektionen... Ok, ich glaube jetzt wird's irgendwie philosophisch!


Also, zurück zum Thema, ich will hier eigentlich gar nicht über die Entstehung von Weiß philosophieren, sondern einfach klar machen, dass es bei den Tönen, die man käuflich erwerben kann, Untertöne gibt und jetzt wisst ihr auch, warum Weiß für mich eben doch eine Farbe ist, denn rein ist sie nicht so ganz, jedenfalls nicht in der physischen Form.

Besonders irreführend finde ich das bei der sehr weit verbreiteten Farbe RAL 9010, dem absoluten Klassiker unter den Weisstönen, sie wird von der RAL GmbH als "Reinweiss" bezeichnet (wer nicht so richtig weiß was RAL ist, der findet meinen Artikel dazu hier).

Wenn man sich aber die ganz genaue Kodierung ansieht, so enthält diese Farbe 5% ,Yellow'. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich kann absolut nicht verstehen, warum diese Farbe immer noch die unangefochtene Nummer eins in Sachen Weiß in der Industrie ist. Unser modernes Auge ist

(wahrscheinlich eben vor allem durch verstärkten Monitorlichtkonsum, RGB etc. - ihr wisst noch) ein viel weißeres Weiß als 9010 gewöhnt, wodurch dieser Ton für mich stets vergilbt aussieht. Und wer möchte schon etwas einbauen was in neuem Zustand bereits aussieht wie mehrere Jahre alt?

Bitte nicht falsch verstehen, jeder Farbton hat seine Berechtigung, aber wenn es erstmal um die Basis "reines" Weiß geht oder was für uns moderne Menschen am weißesten aussieht

(am weissesten?!? Ohje, gibt es das Wort überhaupt?), dann ist das aus meiner Sicht schon mal nicht RAL 9010.


Es geht hier aber nicht darum diesen Farbton zu verteufeln, sondern viel mehr darum, wie man mit diesen Unterschieden arbeitet und das man sich ihrer bewusst wird. Denn das ist so mit das Wichtigste bei der Arbeit mit Weiß, in einem gelungenen Interior. Man mag vielleicht denken "Wenn ich alles in Weiß halte, kann nichts schief gehen. Alles wirkt schön hell, pur, neutral, modern und zeitlos", aber eigentlich ist es eine der schwersten Kombinationen überhaupt, denn in einem Interior kommen unheimlich viele Komponenten zusammen. Wenn ich hier das Weiß nicht gezielt abstimme, habe ich am Ende ein buntes Sammelsurium von Weißtönen.

Wenn ich mit anderen Farben arbeite, habe ich dieses Problem nicht, denn die Töne konkurrieren dann nicht, sondern ergänzen sich. Sie werden nicht in ihrer Nuancierung innerhalb eines Tons verglichen (wobei auch hier die wenigen Komponenten, die dann noch weiss sind, natürlich aufeinander abgestimmt sein sollten ;-)).


Wichtig ist es somit sich zu entscheiden welche Anmutung von Weiß man erreichen möchte.


Wenn ihr den Gelbstich gut findet, weil ihr ein warmes Ambiente möchtet, dann sollte auch der Rest dazu passen. Dann ist ein kühles blaustichiges Grau als Wandfarbe beispielsweise nicht unbedingt zu empfehlen. Schwierig wird es dann, wenn ihr mit Weißtönen zu tun habt, die von Herstellern definiert werden. Nehmen wir mal das Beispiel Küche. Ihr habt euch vielleicht eine tolle Küche ausgesucht, deren Fronten Weiß sind, aus eurer Sicht ist das Weiß auch wirklich rein und strahlend und modern, der Hersteller nennt es vielleicht ,Studio Weiß' (was auch immer er damit genau meint). Nun habt ihr euch aber vielleicht auch Türen für euer neues Haus ausgesucht, dabei nur auf Modell und Design geachtet und das mit dem Weiß gar nicht erst hinterfragt, die Türen im Katalog waren alle in Weiß abgebildet und euch war (bevor ihr meinen Artikel gelesen habt ;-)) gar nicht bewusst, dass man es hinterfragen sollte. Am Ende habt ihr dann also eine gelbstichige (wahrscheinlich RAL 9010) Tür neben einer ,Studio Weißen' Küche und die Tür sieht dann gleich noch viel gelber aus als sie eigentlich ist - weil vielleicht das Studio Weiß des Herstellers auf, sagen wir mal, RAL 9003 basiert - der Supergau! Glaubt mir, dass sieht wirklich furchtbar aus! Unsere Küche wurde seinerzeit im falschen Weißton geliefert, nämlich auch in einem gelblichen Weiß und als ich herein kam als sie fertig war, dachte ich nur: "Oh bitte lass das einen Witz sein!" Der Kontrast zum richtigen Weißton ist enorm!


Hier seht ihr ein paar Fotos:



falscher Weißton
Beachhouse Küche
richtiger Weißton, Küche: Bauformat St.Tropez


Das Gleiche passiert übrigens auch, wenn ihr eine farbige Wand mit einem kühlen Unterton habt, sagen wir einem Nougatton mit bläulich-rötlicher Nuance. Da muss es nicht mal einen direkten Vergleich zu einem anderen Weiß geben, aber wenn der Weisston nicht auch dieser kühlen Farbstimmung folgt, wird er plötzlich viel gelblicher aussehen als ihr es vielleicht wolltet.


Ihr seht, Weiß ist durchaus ein Sensibelchen unter den Farben. Es ist also wichtig die verschiedenen Nuancen zu kennen, einzuhalten und vor allem zu wiederholen und bei einem bis maximal zwei Weißtönen zu bleiben.

Das mag jetzt vielleicht so einfach klingen, aber glaubt nicht, dass es uns die Industrie so einfach macht. Viele Hersteller verwenden ihre eigenen Farbbezeichnungen, sodass man am Ende eigentlich gar nicht weiß was es genau für ein Farbton ist. Bei dem einen sieht ,Polarweiss' vielleicht so aus wie bei dem anderen ,Studio Weiß' und beim nächsten ,Loft White' wie bei einem anderen das Polarweiss usw., da könnte man wirklich verrückt werden. Und das ist genau das, was viele in der wirklichen Innenarchitekturplanung unterschätzen. Das ist nicht alles NUR WEIß und mal eben schnell gemacht, sondern es sind die kleinen Details, die genauen Abstimmungen und das recherchieren der Produkte und Hersteller, die den Unterschied machen.

Im Zweifel helfen hier natürlich immer nur Muster oder man erfährt vielleicht direkt bei den Herstellern, welcher RAL-Ton der eigenen Bezeichnung zu Grunde liegt oder am nächsten kommt.

Somit ist es also wichtig, die Dinge nicht nur nach Design und Modell auszusuchen, sondern vor allem auch danach welcher Hersteller welche Farbe bietet.

Wenn ihr wisst, dass ein gelbstichiges Weiß nichts für euch ist, weil ihr möchtet, dass euer Interior sehr modern und klar wirkt, dann müsst ihr die Hersteller auch entsprechend so auswählen. Da sind dann alle die raus, die immer noch RAL 9010 für das ultimative Weiß halten... Und natürlich auch die, deren eigene Bezeichnung und Kreationen auf diesem Farbton basieren.


Was jetzt der ultimative Weisston für jeden einzelnen ist, muss jeder für sich entscheiden, aber wenn dann rate ich euch auch bei diesem zu bleiben!



3 Comments


Julia Jäger
Julia Jäger
Sep 13, 2023

Hallo, sehr interessierter Artikel! Bei uns wurde gerade die neue Küche geliefert und sie hat einen heftigen Gelbstich und wir sind total unglücklich. Wie hast du das mit der Küchenfarbe bei dir gelöst? Hast du vielleicht Tipps bzgl Wandfarbe / Licht, die helfen können, den Gelbstich fürs Auge auszugleichen?

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Julia Jäger
Julia Jäger
Sep 13, 2023
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Hey, danke für deine Antwort :) Doch, wir hatten den Ton tatsächlich genauso ausgesucht - aber im Küchenstudio wirkte er einfach ganz anders als bei uns im Haus und wir waren wohl nicht sensibilisiert genug, was die verschiedenen Weißtöne angeht :( Wir haben die Wand bereits in einem hellen Greige gestrichen, und es ist auch schon etwas besser, aber vor allem im warmen Abendlicht sieht es einfach schrecklich gelb aus 🙈 Falls du noch weitere Tipps hast, lass es mich gerne wissen!

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